
Hier ist ein Startpunkt und dort ein angestrebtes Ziel, der Weg dorthin ist unbekannt. Dies ist für mich die schönste Art des Reisens, denn ich weiß nie, was mich auf dieser Strecke Wunderbares erwartet. Ich darf halten wo es mir gefällt und bleiben solange ich möchte. Wenn mich die Müdigkeit übermannt, suche ich mir ein in der Nähe ein hübsches Plätzchen um zu Rasten oder zu Nächtigen. So geschehen auch heute in einem kleinen, netten Dörfchen in Frankreich. Es sind oft die Kleinigkeiten, welche uns zum Lächeln bringen.
Heute morgen ging es mir nicht so gut, ich war grantig und laut meinem Mann unausstehlich – welch Kompliment! Aber Recht hatte er. Irgendetwas rumorte in meinem Inneren, vielleicht auch unter dem vorherrschenden Vollmond-Einfluss. Ja, auch solche Tage gibt es und das ist gut so, denn wir sind Menschen und dürfen unsere Gefühle leben und auch zeigen. Nachdem all diese negativen Emotionen unter einem heftigen Schwall Tränen aus mir heraus fließen durften, fühle ich mich nun wieder frei und offen für die schönen Dinge des Lebens. Hin und wieder braucht es einfach so eine Art „Reinigung“.
Nun ich sitze ich am Steuer meines geliebten Vans, der mir zugleich Schlafstätte und Alltagsfahrzeug ist und lenke ihn gemütlich Richtung Norden entlang der spanischen Mittelmeerküste. Wir sind in Terragona gestartet und möchten heute noch circa. 300km zurück legen und die spanisch-französische Grenze passieren. Ziel ist Montpellier, doch ich fühle schon jetzt, dass dies für heute ein zu hoch gestecktes Ziel ist.
Meinen eigenen Gedanken nachhängend, der Musik im Radio lauschend und hin und wieder ein belangloser Wortwechsel zwischen Alejandro und mir. Heute ist mir nicht nach hochtrabenden Unterhaltungen zumute. Irgendwann beginnen wir, die Kennzeichen der uns überholenden Autos zu analysieren, interessant, in welchem Land die Menschen hier auf den Straßen ihre Heimat haben. Schon als Kind hat mich das fasziniert bei den alljährlichen langen Urlaubsfahrten nach Italien, da hatte ich sogar Stricherllisten geführt und zu sehen, aus welchem Land die meisten Autos kommen.

Vom stetigen, eintönigen geradeaus fahren, den Tempomat konstant auf 100 km/h gestellt, nur hin und wieder einen LKW überholen, überkommt mich nur 50km nach der Grenze nun die Müdigkeit. Apropos Grenze: seit sämtliche Grenzkontrollen zwischen den EU-Mitgliedstaaten abgeschafft wurden, nimmt man den Grenzübertritt oft nur mehr per Zufall wahr. Geht es dir nicht auch so? Meist fällt es mir dann lediglich an den Verkehrsschildern auf, welche plötzlich die Farbe gewechselt haben. Schade irgendwie. Natürlich bin ich froh, dass dadurch die langen Wartezeiten an der Grenze wegfallen, aber auf eine bestimmte Art und Weise ist damit auch der Flair, sich nun in einem anderen Land zu befinden, auch verloren gegangen. Lediglich die für meine Ohren fremd klingende Sprache ist geblieben.
Die Sprache – das ist eine wunderschöne Überleitung zu meinem eigentlichen Blogthema heute. Wir sind also in Frankreich gelandet und haben uns einen netten Campingplatz über die App Park4Night ausgesucht. Das erste Mal in meinem weit gereisten Leben betrete ich französischen Boden und das erste Mal seit Langem befinde ich mich in einem Land, dessen Sprache ich nicht einmal ansatzweise beherrsche und dessen Kultur und Gewohnheiten ich ebenso wenig kenne. Du erinnerst dich daran, dass sich mein System heute morgen unter Tränen gereinigt hat? Es ist wahrscheinlich kein Zufall (an Zufälle glaube ich ohnehin nicht), dass ich gerade heute morgen diesen Ausbruch hatte und ich jetzt am Abend, ein für mich komplettes Neuland betrete. Nun bin ich offen für das Schöne und nehme all die Annehmlichkeiten einer neuen Umgebung viel intensiver wahr!
Es ist ein herrlich schattiger Campingplatz mit großen, alten, hochgewachsenen Nadelbäumen und blumig duftende Oleander-Hecken trennen die Stellplätze voneinander. Zudem ist es beinahe leer hier, nur fünf weitere Camper haben Mitte Juni den Weg hierher gefunden. Die Vögel zwitschern fröhlich in den Ästen und mindestens vier süße Katzen haben uns schon scheu begrüßt.

Wir wollen noch ins Dorf spazieren um ein paar Lebensmittel einzukaufen. Der Campingplatz-Besitzer lotst uns bei einer Hintertür mit der Beschreibung links, rechts, links und immer geradeaus bis zum Supermarkt, aus dem Platz. Wir sind mitten in der Natur, was gibt es Schöneres?! Ein kleiner Trampelpfad (wir wundern uns schon, ob wir hier überhaupt richtig sind) führt uns nach einigen Windungen und mitten durch Obstplantagen hindurch tatsächlich bis ins 1km entfernte französische Dorf.

Die Kassiererin im Supermarkt ist sehr schweigsam uns gegenüber und wir mutmaßen schon, ob das die allseits bekannte französische (Un-) Höflichkeit ist. Aber dann merken wir, dass sie einfach nur kein Englisch kann und mit Händen und Füßen kommunizieren wir mit ihr und bekommen sogar eine kurze Erklärung wo der nächste Bankomat ist! Hah – das war spaßig! Schon lange nicht mehr hatte ich die Gelegenheit, mich mit Menschen zu unterhalten, wobei wir keine gemeinsame Sprache sprechen. Wieder einmal etwas Neues zu erleben lässt mein Herz höher schlagen! Ein freudiger Glimmer-Moment für mich, den ich gerne in meinem Inneren abspeichere, ebenso wie all die unerwarteten, aber so wunderbaren Eindrücke von diesem kurzen Spaziergang durch ein kleines, französisches Dorf.

Die Moral von der G’schicht…? Genieße jeden Moment deines Lebens! Nimm auch die kleinen, oft unbedeutsam wirkenden Dinge wahr, denn gerade die sind es, welche unseren Alltag aufhellen und unser Herz zum Strahlen bringen!