Eines der schönsten Erlebnisse auf Reisen ist für mich das Zusammentreffen mit Menschen aus der Region. Heute darf ich von Alejandros Großmutter lernen, wie eines der traditionellsten chilenischen Gerichte aus dem Süden des Landes: Milcao zubereitet wird. Zudem erzählt sie mir viele interessante Geschichten aus ihrem Leben und ich bekomme ein Gefühl davon, wie wichtig die engen Familienbande für die Menschen hier sind.

Dieser Beitrag ist Teil der Reisegeschichte Woman Solotraveller | Südamerika 2014

Heute Sonntag darf ich ein köstliches Gericht aus Chile zubereiten – Milcaos. Mmmmh, die sind so lecker! Milcaos sind vor allem hier in Patagonien und auf der Insel Chiloé weit verbreitet, weiter nördlich sind sie kaum erhältlich. Vielleicht im Supermarkt als Fertiggericht, aber niemand bereitet sie selbst zu.

Hier in Patagonien allerdings ist es ein Rezept aus Großmutters Zeiten, so eine richtig tolle hausgemachte Köstlichkeit. Und ich darf einer jener Großmutter bei der Zubereitung über die Schulter schaun und fleißig helfen – wow, was für ein Erlebnis! Deswegen liebe ich das Reisen so sehr 😍

Heute darf ich von Alejandros Großmutter lernen, wie man Milcaos zubereitet, ein typisches Gericht aus dem Süden Chiles.
Heute darf ich von Alejandros Großmutter lernen, wie man Milcaos zubereitet, ein typisches Gericht aus dem Süden Chiles.

Milcaos werden in Chile hauptsächlich zur Nachmittags-Jause zu Kaffe und Tee gegessen, diese Jause nennt man hier „Once“. Damit wir also so gegen 17 Uhr fertig sind, starten wir um 14 Uhr mit den Vorbereitungen.

Es steckt eine Menge Arbeit hinter diesen kleinen Leckerbissen. Für etwa 20 Stück Milcaos, das sind so ca. 6-7 Portionen, wollen 5 kg rohe Kartoffeln geschält werden. Etwa die Hälfte wird dann gekocht und durch die Kartoffelpresse gedrückt, die rohen allerdings müssen fein gerieben werden. Und da die Maschine dafür leider kaputt ist, bedeutet das mühsame Handarbeit für uns. Erst alles reiben und anschließend die gesamte Flüssigkeit durch ein Tuch ausdrücken um die trockene Kartoffelmasse weiterverarbeiten zu können. Viel Arbeit, aber es macht Spaß – kochen wie zu Großmutters Zeiten 🤩 

Alejandro und ich werden zum Reiben der rohen Erdäpfel eingeteilt - das stellt sich als Schwerstarbeit bei einer Menge von 2,5kg heraus.
Alejandro und ich werden zum Reiben der rohen Erdäpfel eingeteilt - das stellt sich als Schwerstarbeit bei einer Menge von 2,5kg heraus.
Alejandros Abuela - seine Oma - drückt die geriebenen Erdäpfel mit Leichtigkeit durch das Baumwolltuch, um die Flüssigkeit auszupressen. Man merkt, sie hat Übung darin.
Alejandros Abuela - seine Oma - drückt die geriebenen Erdäpfel mit Leichtigkeit durch das Baumwolltuch, um die Flüssigkeit auszupressen. Man merkt, sie hat Übung darin.
Die gepressten gekochten und geriebenen rohen Erdäpfel werden unter Zugabe von etwas Schweinefett gut vermengt. Bei dieser Menge auch ein großer Aufwand.
Die gepressten gekochten und geriebenen rohen Erdäpfel werden unter Zugabe von etwas Schweinefett gut vermengt. Bei dieser Menge auch ein großer Aufwand.

Gefüllt werden die Milcaos schließlich mit Chicharonnes, das ist kleingeschnitter und zubereiteter Schweinespeck, ähnlich wie nicht ganz ausgelassene Grammeln. Noch 15 Minuten in den Ofen und fertig sind die goldgelben Milcaos – mmmmh, wie die lecker duften, mir läuft schon bei dem Gedanken daran das Wasser im Mund zusammen!

Oma Elfega zeigt mir, wie ich die Milcaos zu formen habe, um sie mit Chicharonnes füllen zu können.
Oma Elfega zeigt mir, wie ich die Milcaos zu formen habe, um sie mit Chicharonnes füllen zu können.
Mein erstes Milcao ist fertig! Ich bin stolz auf mich 🤩 ... und ich glaube, Abuela auch 😉
Mein erstes Milcao ist fertig! Ich bin stolz auf mich 🤩 ... und ich glaube, Abuela auch 😉

Einen stibitzen wir gleich vom Backblech weg… nur zur Qualitätskontrolle natürlich 😉

Was eine sehr interessante Erfahrung für mich an diesem Tag ist, und für euch, liebe Leser wahrscheinlich eine lustige Geschichte: Alejandros Oma spricht kein Wort Englisch und ich nur ganz wenig Spanisch. Und sie redet verdammt schnell und ohne Punkt und Komma. Ihr könnt euch vorstellen, wieviel ich von ihren Worten verstehe 😅 Aber dennoch funktioniert die Kommuniktation, irgendwie schaffen wir es, uns zu verstehen. Die tollen Geschichten über ihr Leben übersetzt mir Alejandro dankbarerweise, aber die Instruktionen über das Zubereiten der Milcaos klappt hervorragend ohne Übersetzung. Ein schönes Erlebnis!

Die restlichen Milcaos teilen wir dann zur Once mit dem Rest der Famile. Bei Kaffe und Tee lassen wir sie uns so richtig schmecken!

Die noch warmen Milcaos genießen wir am Nachmittag zur Jause - in Chile "Once" genannt - mit der Familie.
Die noch warmen Milcaos genießen wir am Nachmittag zur Jause - in Chile "Once" genannt - mit der Familie.

REZEPT-TIPP:
Wenn ihr dieses wunderbare Gericht zu Hause nachkochen wollt, schaut doch mal auf der Rezeptseite meines Blogs vorbei: Rezepte. Dort nehme ich euch mit auf eine kulinarische Reise und habe für euch Rezepte zusammengetragen von all den köstlichen Speisen, die ich auf meinen Reisen probieren und erlernen durfte!

Unter diesem Link hier kommt ihr direkt zum Rezept der Milcaos: Milcao (Chile)

Es ist ein wunderschöner Sonntag-Nachmittag, ich höre viele Geschichten über das Land und die Leute und auch über Alejandros Familie, habe ein leckeres Gericht gelernt und eine herrliche Zeit mit einer chilenischen Familie verbracht.

Dieser Tag erinnert mich sehr an meine eigene Urgroßmutter. Bis vor einigen Jahren gab es immer einmal im Monat ein Familien-Essen mit der ganzen Familie. Sie macht wohl den besten Apfelstrudel auf Erden – zumindest für mich ist er der Beste 😊 Es gab stets diese leckere gebundene Gemüsesuppe als Vorspeise und dann die köstlichen Strudel, je nach Saison Apfel-, Topfen-, Beeren, Rhabarbarstrudel oder was es grad an Obst gab. Ich vermisse diese Familientreffen. Aufgrund des Alters kann meine Uroma leider keine Strudel mehr backen und ich finde es richtig schade dass sich keine neue Tradition für Familientreffen ergeben hat.

In der heutigen Zeit dürfte es wohl schwierig sein, da alles sehr kurzlebig ist. Überall hört man „Ich hab doch keine Zeit, ich muss hierhin und dorthin, habe soviel zu erledigen“, jeder ist stets gestresst. Schade, denn ich denke, das Wichtigste im Leben ist die Familie und dafür sollte man immer Zeit haben.

Ich habe mich im letzten Jahr bewusst aus diesem stressigen Alltags-Trott ausgeklinkt und darüber nachgedacht, wo denn in meinem Leben die Prioritäten liegen. Ist es die Arbeit, Geld, Reichtum, Luxus, Freizeit, Sport, Familie, Kinder,…? Was macht mich glücklich? Noch habe ich keine endgültige Antwort gefunden, vielleicht gibt es die auch nicht, denn das Leben verändert sich ständig und somit auch die Dinge, welche einen glücklich machen.

Doch was ich herausgefunden habe ist, dass es wichtig ist, sich Zeit zu nehmen. Zeit für sich selbst, Zeit für die Dinge die man gerne machen würde. Wir lassen uns unseren Alltag nur zu gern von unserem Umfeld, wie Arbeit, Gesellschaftsformen, Freunden und vielem mehr, formen. Und alles muss heutzutage schnell gehen, denn wir haben doch keine Zeit.

Falsch. Wir haben jeden Tag 24 Stunden Zeit. Das ist viel Zeit – viel Zeit, unser Leben so zu gestalten wie wir es wollen. Nach unseren eigenen Wünschen, nach unseren eigenen Bedürfnissen. Sicherlich muss man immer wieder Kompromisse eingehen, doch wenn ich das Gefühl habe, meinen Tag nach meinen (!) Vorstellungen zu gestalten, dann bin ich auch glücklich, denn dann mache ich großteils die Dinge, die für mich (!) wichtig sind.

Diese Reise lehrt mich, dass es wichtig ist, jeden Tag so zu gestalten, dass einem das Leben Freude bereitet und meine eigenen Bedürfnisse erfüllt. Wie heute z.B. das Zubereiten von Milcaos mit Alejandros Abuela.
Diese Reise lehrt mich, dass es wichtig ist, jeden Tag so zu gestalten, dass einem das Leben Freude bereitet und meine eigenen Bedürfnisse erfüllt. Wie heute z.B. das Zubereiten von Milcaos mit Alejandros Abuela.

Vor längerer Zeit habe ich versucht, eine neue Tradition zu starten. Mein Wunsch war, diese monatliche Tradition bei meiner Oma mit anderen hausgemachten Gerichten fortzusetzen. In keinerem Rahmen, nur meine Oma, meine Mama und ich. Meine Oma ist eine tolle Köchin, vor allem liebe ich ihre Süßspeisen. Sie jammert zwar stets, sie habe das Kochen verlernt, aber für mich schmeckt es jedesmal traumhaft!

Naja, ihr könnt euch vorstellen was passiert ist – nach zwei oder drei Monaten hat sich diese neue Tradition aufgehört da ständig andere Dinge dazwischen gekommen sind – oder meiner heutigen Meinung nach: wir haben zugelassen, dass unser Umfeld uns diese Zeit stielt. Seitdem versuche ich immer wieder spontan vorbei zu schauen. Doch das ist gar nicht so einfach, denn selbst meine Oma ist in letzter Zeit vom Stress des Umfelds erfasst worden. Ich hoffe, sie vergisst nicht, sich ab und zu auch Zeit für sich selbst zu nehmen um ihre eigenen Wünsche zu erfüllen.

Was ich jedenfalls gelernt habe ist, wie man den köstlichen Apfelstrudel meiner Uroma zubereitet und irgendwann, wenn die Zeit dazu gekommen ist, möchte ich diese Tradition in meinem eigenen Haus fortsetzen…