Die Landschaft rund um Punta Arenas ist noch sehr unberührt und für den Tourismus nicht interessant. Vorgegebene Wanderwege sucht man hier vergeblich. Und genau das macht es für mich so anziehend. Die wilde, unberührte Natur zu entdecken, mich auf ihren natürlichen Pfaden fortbewegen und die Stille abseits der Stadt zu genießen. Alejandro zeigt mir die schönsten Fleckchen unberührte Natur rund um seine Heimatstadt.
Dieser Beitrag ist Teil der Reisegeschichte Woman Solotraveller | Südamerika 2014
Dank einer Verkühlung war ich nun neun Tage dazu verdammt, nichts unternehmen zu können. Es sind immer neun Tage: drei Tage schleicht sie sich an, drei Tage behindert sie dich komplett und drei Tage benötigt sie, um zu gehen. Faszinierend, es ist immer das gleiche.
Nach dieser Zeit des Nichtstuns bin ich nun aufgeregt wie ein kleines Kind. Ein Ausflug ist den Wald steht am Tagesprogramm, mit kleiner Wanderung, Picknick und Genießen der Natur! Mein Couchsurfing-Gastgeber Alejandro will mir die Landschaft rund um Punta Arenas zeigen.
In großer Erwartung erwache ich am Morgen, wir packen den Rucksack für das Picknick und Alejandro’s Fotoausrüstung darf natürlich auch nicht fehlen – er liebt es, jeden schönen Moment auf Foto für die Ewigkeit festzuhalten. Ein Blick aus dem Fenster verrät traumhaft sonniges Ausflugs-Wetter. Schnell hinaus ins Freie – ich kanns gar nicht erwarten! Und plötzlich das Unerwartete… mir bläst ein Sturm um die Ohren, dass ich Mühe habe vorwärts zu kommen – wow – was ist das?! An den „normalen“ patagonischen Wind habe ich mich ja mittlerweile halbwegs gewöhnt, aber das hier, unglaublich…
Nun gut, wir lassen uns natürlich nicht aufhalten und machen uns mit dem Colectivo auf den Weg Richtung Stadtrand. Puh, das erste Stück müssen wir entgegen dem Wind zurücklegen. Er bläst uns geradewegs mit voller Wucht ins Gesicht. Manchmal ändert er schlagartig seine Richtung und greift kurzfristig von der Seite an, sodass es mich einen halben Meter (!) seitlich versetzt. Unglaublich, welche Kraft der Wind entwicklet! Ein unbeteiligter Beobachter muss denken, ich bin sowas von betrunken 😉
Aber wir kämpfen uns tapfer entgegen der Windrichtung voran auf den Wald zu, klettern über Weidezäune und überqueren das riesige Flussbett des Flusses Río de las Minas, welches aber nur wenig Wasser führt. Aus der Wasseroberfläche ragen zudem riesige Steine, über die wir kinderleicht von einem zum anderen hüpfen und so schnell auf die andere Uferseite gelangen.
Wäre da nicht dieser heftige Wind. Unaufhaltsam bläst er durch das Flussbett und droht mich schon von dem ersten Stein ins Wasser zu werfen. Pfff, denkste, ich lass mich doch nicht von einem pataonischen Lüfterl aufhalten 😉 Trockenen Fußes erreiche ich das andere Ufer und wir setzen unseren Weg fort.
Nach 15 Minuten windiger Wanderung betreten wir den Wald und es wird ein wenig angenehmer. Immerhin kann man jetzt wieder geradeaus laufen und die Augen öffnen. Auf einer Lichtung finden wir wir ein tolles Platzerl für das Picknick. Die umstehenden Bäume schützen ein wenig vor dem Sturm und wir lassen es uns schmecken. Alejandro fröhnt seiner Leidenschaft und schießt eine Menge toller Fotos, ich genieße die Stille der Natur, lausche dem Singen der Vögel und dem „Rauschen“ des Windes, was heute mehr einem wütenden Schreien gleichkommt. Vom Waldrand aus hat man einen herrlichen Ausblick über die ganze Stadt, am Horizont ein wunderbar blaues Meer.
Den Rückweg bestreiten wir entlang des Río de las Minas, oder besser gesagt: in seinem Flussbett. Im Sommer ist der Fluss nur ein kleiner Bach, aber man kann durchaus die gewaltigen Kräfte der Natur sehen. Das Wasser formt Gänge, Kanäle und Höhlen in das Flussbett aus hartem Stein und fester Erde, es ist einfach fazinierend. Unvorstellbar, wieviel Kraft die Natur besitzt und im selben Moment ist es auch grenzenlos schön.
In der unberührten Natur fühle ich mich wohl, hier gibt es keine Hektik, keinen Alltag. Die Natur hat ihren eigenen Rythmus. Aus Abgestorbenem wächst Neues, immer und immer wieder, alles in seinem eigenen Tempo…