Das Hafenviertel La Boca soll besonders anziehend für Touristen sein. In der Gasse El Caminito sieht man die buntesten Häuserfassaden von ganz Buenos Aires in den schillerndsten Farben leuchten. Warum man in dieser Stadt am Besten immer Münzen eingesteckt haben sollte, erzähle ich mit einer kleinen Anekdote zum Schmunzeln.

Dieser Beitrag ist Teil der Reisegeschichte Woman Solotraveller | Südamerika 2014

Im Linienbus nach La Boca

Am Nachmittag meines ersten Kennenlern-Rundganges durch die argentinische Hauptstadt habe ich mir die Füße bereits in der Innenstadt wund gelaufen. Siehe dazu meinen vorherigen Blogeintrag ‚Stadtrundgang in Buenos Aires‚. Die vielen neuen Eindrücke dieser großen, lebhaften Stadt faszinieren mich sehr, doch noch ist meine Neugierde nicht gestillt. Mein geliebter Lonely Planet Reiseführer schreibt über ein Stadtviertel, in dem die Häuserfassaden in knallig bunten Farben gestrichen sind: La Boca. Das will ich unbedingt noch kennen lernen und so motiviere ich meine müden Beine noch zu einem weiteren kleinen Ausflug.

RECHERCHE ZUR ANREISE
Das Stadtviertel La Boca liegt südlich im Anschluss an den Hafen Puerto Madera, zu Fuß von meinem Stadtpunkt bei der Floralis Genérica aus ein 90-minütiger Fußmarsch – zu viel für mich a diesem Nachmittag. Also versuche ich ausfindig zu machen, welche Buslinie mich in das Viertel bringen konnte. Der Reiseführer nennt mir zwar die Linie, gibt aber keine Informationen Preis, wo sich die Haltestellen befinden oder wo man Tickets kaufen kann. Und Internet habe ich auch keines dabei, um namhafte Suchmaschinen befragen zu können. Also bleibt mir nichts anderes übrig als zu beobachten und mit meinen sehr spärlichen Spanischkenntnissen nach dem Weg zu fragen.

BUSTICKET GEGEN EINWURF VON MÜNZEN
Und hier kommen nun die Geldmünzen ins Spiel!
Die richtige Bushaltestelle ist schnell gefunden, Tickets bekommt man angeblich im Fahrzeug. Soweit so gut. Jetzt allerdings kommt die große Herausforderung, denn Bus fahren funktioniert in Buenos Aires wie folgt: man nennt dem Fahrer sein Ziel und wirft in einen Münz(!)automaten den entsprechenden Betrag. Nach kurzen Verständigungsproblemen mit viel Gestikulation erfahre ich, dass eine Fahrt 5 Pesos kostet, sehr gut, ich habe 7 Münzen eingesteckt – also los! Die Münzen scheppern beim Einwurf in den Automaten wohlwollend und ich erhalte mein Ticket. An die Rückfahrt denke ich in diesem Moment noch nicht.

GRUNDLOSE ANSPANNUNG
Der Reiseführer warnt zur Vorsicht bei einem Besuch in La Boca, man solle sich nur auf Touristenpfaden bewegen. Man befände sich in einem ärmlichen Arbeiterviertel und dementsprechend niedrig sei die Einkommensschicht und hoch die Kriminalitätsrate. Ich bin nervös, das kann ich nicht abstreiten. Mein erster Tag in Südamerika auf meiner ersten großen Reise und allein als junge Frau, unterwegs in ein laut Reiseführer gefährliches Viertel. In meinem Kopf spinnen sich die aller möglichsten und unmöglichsten Situationen zusammen. Aber so bin ich eben, immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen und stets mich selbst aus der eigenen Komfortzone heraus katapultierend. Da sitze ich nun im Bus am Fenster, meinen Lonely Planet verkrampft in den Händen haltend, meine Nase scheinheilig vertieft in eben diesen, aber ständig über die Kante hinaus blinzelnd um die anderen Fahrgäste um mich herum zu beobachten. Bis mich plötzlich ein älterer Herr auf Spanisch anspricht, ich kein Wort verstehe und meine Nervosität sich von einer Sekunde auf die andere um das 100-fache steigert. Vorsichtig versuche ich heraus zu finden, was der Herr mir sagen will, während er immer wieder auf meinen Reiseführer zeigt und in seinen Sätzen La Boca heraus zu hören ist. Offensichtlich will er wissen, ob ich mir das Viertel ansehen möchte, mein Herzschlag beruhigt sich wieder ein wenig.

Ich versuche ihn zu fragen, an welcher Haltestelle ich am Besten aussteigen solle und er deutet schon auf jene, die vor uns ins Blickfeld rückt. Ich bedanke mich höflich mit einem ‚muchas gracias‘ und husche so schnell als möglich aus dem Bus.

El Caminito und ein Blick hinter die Fassaden

Die Aufregung der 40-minütigen Busfahrt legt sich langsam und es stellt sich heraus, dass diese zudem völlig unbegründet war. Nach dem fluchtartigen Verlassen des Fahrzeuges schaue ich mich erstmal in meiner Umgebung um und sehe, dass mich der Linienbus mitten in einen mit  Touristen überfüllten Platz gebrachte hatte und man sich sofort mitten im Getümmel befindet. Taschendiebstähle sind hier vermutlich üblich, aber mit etwas Achtsamkeit besteht garantiert keine Gefahr für Leib und Seele. Mein Nervensystem beruhigt sich wieder.

Es zeigt sich mir ein völlig anderes Bild als noch zuvor im Zentrum: Marktstände drängen sich auf den Plätzen, Restaurants reihen sich dicht aneinander, wobei die Schanigärten sogar bis zur Straßenmitte stehen, dazwischen suchen sich Taxis und Busse ihren Weg, überall Musiker und, meiner Meinung nach, eher mittelklassige Tangovorführungen und Millionen von Touristen.

Marktstände und Restaurants mit ausladenden Gastgärten prägen die touristische Ecke von La Boca. Von einem gefährlichem Arbeiterviertel mit hoher Kriminalitätsrate findet man hier keine Spur.
Marktstände und Restaurants mit ausladenden Gastgärten prägen die touristische Ecke von La Boca. Von einem gefährlichem Arbeiterviertel mit hoher Kriminalitätsrate findet man hier keine Spur.
Tangovorführungen finden in La Boca allerorts statt. Die Touristen bedanken sich gerne mit ein paar klingenden Münzen bei den Tänzern.
Tangovorführungen finden in La Boca allerorts statt. Die Touristen bedanken sich gerne mit ein paar klingenden Münzen bei den Tänzern.

Es wuselt wie in einem Ameisenhaufen und eigentlich mag ich solche Spektakel absolut nicht, es macht mich nervös. Aber ich will von ganzem Herzen diese bunten Häuser sehen! In der Gasse El Caminito sind sie angeblich am Schönsten, und tatsächlich, kunterbunte Fassaden in den schrillsten Farben leuchten mir entgegen. Toll! Fasziniert und die bunten, farbenfrohen Fassaden betrachtend, schlendere ich gemeinsam mit den vielen anderen Besuchern den El Caminito entlang. Ich spaziere weiter ohne Ziel Richtung Stadion und biege kurze Zeit später in eine Seitengasse ein, wo mich die Ernüchterung unerwartet und eiskalt erwischt: die schönen, bunten Fassaden sind nur Touristenattraktion. Hier in den Nebengassen, abseits der Touristenpfade, sind sie zwar auch farbig, aber eher heruntergekommen und kein schöner Anblick. Auch das Stadion hält nicht das was der Reiseführer verspricht. Schade.

In der kleinen Gasse "El Caminito" sind die Häuserfassaden kunterbunt in den strahlendsten Farben bemalt. Ein Touristenmagnet.
In der kleinen Gasse "El Caminito" sind die Häuserfassaden kunterbunt in den strahlendsten Farben bemalt. Ein Touristenmagnet.
Stück für Stück entferne ich mich vom Touristenmagnet "El Caminito" um in ruhigere Gassen von La Boca zu gelangen.
Stück für Stück entferne ich mich vom Touristenmagnet "El Caminito" um in ruhigere Gassen von La Boca zu gelangen.
Abseits von dem hoch gerühmten "El Caminito" sieht die Welt anders aus: die Anstriche verblassen, Häuser sind ungepflegt und teilweise herunter gekommen. Hier bekommt man nun einen Einblick in das wahre La Boca: ein armes Arbeiterviertel.
Abseits von dem hoch gerühmten "El Caminito" sieht die Welt anders aus: die Anstriche verblassen, Häuser sind ungepflegt und teilweise herunter gekommen. Hier bekommt man nun einen Einblick in das wahre La Boca: ein armes Arbeiterviertel.

Warum sind die Häuser eigentlich bunt?
Ende des 19. Jahrhunderts wanderten viele Italiener nach Buenos Aires aus und siedelten sich hier in La Boca, dem Hafenviertel an. Um die schon etwas verfallenden Häuser wieder attraktiver zu gestalten, verwendeten sie vorhandene Schiffsfarbe für den Fassadenanstrich, doch reichte eine Farbe meist nicht für das gesamte Haus und so entstanden die vielfarbigen, bunt leuchtenden Häuser.

TIPP:
La Boca ist definitiv einen Besuch wert. Wenn man von diesem Viertel spricht, bezieht man sich jedoch meist immer nur auf den El Caminito. Man darf sich hier keinen authentischen Lebensstil erwarten, denn über die Jahre hat sich El Caminito zu einer wahren Touristenattraktion entwickelt und die Menschen leben von dem Geld, das Besucher hier ausgeben. Will man das reale Leben der Menschen in La Boca erleben, muss man abseits in den Seitengassen spazieren. Doch ist dies weniger empfehlenswert, da hier große Armut herrscht und man so wie ich vermutlich nur enttäuscht sein wird von den großen Versprechen der Reiseführer, die sich allesamt nur auf El Caminito beziehen. In diesem Fall empfehle ich: lieber auf den Touristen-Trampelpfaden bleiben und sich an den farbenfrohen Fassaden ergötzen!

Fehlende Münzen für das Busticket

Nach sechs Stunden Sightseeing quer durch Buenos Aires freue ich mich nun auf Zuhause und schlendere Richtung Busstation. Auf dem Weg dorthin fällt mir zum Glück noch auf, dass ich einen großen Fehler gemacht hatte…! Abgelenkt durch die vielen Eindrücke hier, hatte ich vergessen, genügend Münzen für das Busticket zu sammeln… Was nun?! Schnell noch irgendwo etwas Kleines kaufen und Retourgeldmünzen erhaschen. Mein erster Versuch, mir Münzen vom Wechselgeld zu ergattern scheitert allerdings, da mein Wasser genau 10 Pesos kostet. Wechseln kann oder will die Dame nicht. Zweiter Versuch im Souveniershop: ich kaufe mir eine Postkarte um 6 Pesos, zahle mit einem 10er-Schein und bekomme aber zwei Scheine zu je 2 Pesos retour, wieder fehlgeschlagen. Gibt es in diesem Viertel keine Münzen? Schön langsam frage ich mich, wieviel ich wohl noch kaufen müsse um endlich 3 klimpernde Pesos zu bekommen. Und nachdem ich nach wie vor kein Bargeld beheben kann, ist mein Pesosvorrat stark begrenzt. Na gut, dritter Versuch: wieder mit einer Postkarte, diesmal 5 Pesos. Oh nein, ich sehe es schon vor mir, das gibt wohl wieder keine Münzen. Aber… Glück gehabt, der Verkäufer gibt mir 5 klingende Pesos retour. Meine Retourfahrt ist gesichert! Eines habe ich heute gelernt: sammle immer Münzen, sobald sich die Möglichkeit dazu bietet, denn sie sind sehr begehrt und durchaus nützlich!

TIPP:
Wer Buenos Aires mit öffentlichen Verkehrsmitteln erkunden möchte, sollte immer genügend Münzen eingesteckt haben. Diese benötigt man, um sich ein Ticket für Linienbusfahrten zu kaufen, welches ausschließlich im Fahrzeug bei einem Münzautomaten erhältlich ist. Offensichtlich werden Münzen aber nicht gerne als Wechselgeld heraus gegeben, sodass es schwierig ist, welche zu bekommen.

Abendessen und Mate bei Luciano

Dankbar nehme ich Lucianos Vorschlag, er würde für uns Abendessen kochen an, denn ich bin ziemlich erledigt nach diesem ersten Sightseeing-Tag. Es gibt panqueques con dulce de leche. Sehr lecker! Was das ist? Palatschinken mit dulce de leche, einer cremigen „süßen Milch“ gefüllt. Schließlich werden sie noch karamellisiert und flambiert, mmmh!!! Und obendrauf präsentiert mir Luciano auch ein typisch argentinisches Getränk: Mate. Für eine leidenschaftliche Tee-Trinkerin wie mich ist das etwas Tolles! Es wird ganz besonders zubereitet. In einen speziellen Mate-Becher, meist aus Kürbis hergestellt, kommt randvoll der trockene Mate (grüner Tee) und wird mit heißem Wasser aufgegossen. Durch einen eigenen „Strohhalm“, genannt bombilla, soll das Gefäß mit einem Zug leergetrunken werden. Dann wird wieder aufgegossen und der Becher an den nächsten weitergereicht. Seeeehr lecker, aber auch etwas berauschend, denn Mate ist sehr stark Teein-haltig und wirkt oft stärker als Kaffee. Die Argentinier sind das offensichtlich gewohnt, denn sie trinken tagein tagaus Mate.

Mein Gastgeber Luciano bereitet uns ein köstliches Abendessen zu: flambierte Panqueques gefüllt mit Dulce de Leche. Mmmmhhh... ein Gedicht das auf der Zunge zergeht.
Mein Gastgeber Luciano bereitet uns ein köstliches Abendessen zu: flambierte Panqueques gefüllt mit Dulce de Leche. Mmmmhhh... ein Gedicht das auf der Zunge zergeht.
Mate, ein typisch argentinischer Tee, wird aus einem speziellen Becher und mit einem metallenen Strohhalm getrunken. Was dem Italiener der Kaffee, das ist dem Argentinier sein Mate.
Mate, ein typisch argentinischer Tee, wird aus einem speziellen Becher und mit einem metallenen Strohhalm getrunken. Was dem Italiener der Kaffee, das ist dem Argentinier sein Mate.