Auf dieser Reise lerne ich das erste Mal in meinem 29-jährigen Leben, was es bedeutet, völlig frei zu sein. Frei von Verpflichtung, Verantwortung und frei davon, Erwartungen anderer zu erfüllen. Ich höre auf mein Inneres und achte darauf, was mein Herz und mein Bauchgefühl mir zeigen. Seit ich meinen Gastgeber Alejandro in Punta Arenas kennen gelernt habe, ist mein Bauchgefühl in Aufruhr. Schmetterlinge tanzen darin und lassen mein Herz schneller schlagen. Ich entscheide ganz bewusst, diesem Gefühl zu folgen, und werde noch weitere drei Wochen mit ihm in Punta Arenas verbringen.
Dieser Beitrag ist Teil der Reisegeschichte Woman Solotraveller | Südamerika 2014
Wenn man sich öffnet, die äußeren Zwänge ablegt und seinen Gefühlen Raum zum Entfalten gibt, tauchen oft sehr unerwartete Emotionen auf. In meinem Fall sehne ich mich danach, diesen mir sehr fremden Mann, mit dem ich mich kaum in einer Sprache fließend unterhalten kann, wieder zu sehen und noch mehr Zeit miteinander zu verbringen.
In meinem Kulturkreis werden wir dazu erzogen, mit dem Kopf zu entscheiden, die Vor- und Nachteile abzuwägen und eine rationelle Entscheidungen zu treffen. Was wir dabei empfinden, wird meist unterdrückt. In meiner Situation würde mein Kopf nun definitiv entscheiden, ihn zu vergessen und meine Resie wie geplant fort zu setzen und nach Hause zu fliegen. Doch ich höre jetzt auf meine Gefühle im Inneren, denn sie wissen, was gut für meinen Seelenweg ist.
Die folgenden drei Wochen sind geprägt von Entspannung und dem tiefen Eintauchen in die chilenische Kultur. Alejandro muss selbstverständlich arbeiten, daher verbringe ich die Zeit tagsüber damit, meine Spanisch-Kenntnisse zu verbessern, zu kochen, im Zentrum zu flanieren und mich einfach zu erholen.
Abends und an den Wochenenden gehen wir aus oder besuchen seine Verwandten und Freunde, ich lerne seine große Familie besser kennen und lieben. Die Chilenen sind ein sehr gastfreundliches und offenherziges Volk. Immer wieder werde ich spontan umarmt oder liebevoll auf die Wange geküsst. Das ist neu für mich und muss mich erst einmal daran gewöhnen 😅
Viele Chilenen erzählen mir, dass wir Deutschen (und damit inkludieren sie uns Österreicher gleich) so distanziert und kaltherzig sind. Ich weiß nicht, im ersten Moment überraschen sie mich damit, ich kenne mich und meine Kultur doch nur so. Aber sie regen mich zum Nachdenken an und ja, im Vergleich zu ihnen sind wir tatsächlich distanziert. Wir schütteln uns lediglich die Hände zur Begrüßung oder rufen überhaupt nur allgemein in den (Büro-) Raum hinein „Guten Morgen!“ Die Chilenen hingegen begrüßen sich immer (!) mit Umarmung und Wangenküsschen, egal ob zu Hause oder auf der Arbeit, egal ob Familie, Freunde oder Fremde.
Alejandro zeigt mir in diesen Wochen viel von Punta Arenas, ich lerne seine Heimatstadt nun aus einem anderen Blickwinkel kennen, denn er zeigt mir auch viele Plätze, an denen Touristen sich normalerweise nicht einfinden.
Nachfolgend findest du noch Blogeinträge zu weiteren Ausflügen in diesen drei zusätzlich geschenkten Wochen in Punta Arenas.
Wer sich fragt, wie die (Liebes-) Geschichte nun weiter geht, hier ein kleiner Nachtrag aus dem Jahre 2022: Alejandro ich haben nur knapp ein Jahr nach unserem Kennenlernen geheiratet und sind noch heute ein glückliches Paar 💖 Das erste Jahr lebten wir gemeinsam in Punta Arenas, danach übersiedelten wir in meine Heimat nach Österreich. Das Reisen ist unsere gemeinsame Leidenschaft und so hat es uns 2018-2019 wieder nach Südamerika verschlagen. Die Geschichte zu dieser 8-monatigen Backpacking-Reise habe ich hier für dich festgehalten: Reisegeschichte Without a Script. Seit 2022 leben wir in Spanien an der schönen Costa de Valencia.