Wer in Südamerika unterwegs ist, kennt dieses Bild sicherlich. Auf den Straßen und in den Parkanlagen tummeln sich unzählige Hunde, welche kein Zuhause haben. Viele nähern sich und als Tourist ist man unsicher, wie man sich verhalten soll. Die meisten Streuner wollen allerdings nur Aufmerksamkeit und Liebe.

Dieser Beitrag ist Teil der Reisegeschichte Woman Solotraveller | Südamerika 2014

In Patagonien findet man sie einfach überall. Man spaziert durch das Zentrum und begegnet Hunden, man bummelt durch die Vororte und begegnet Hunden, sogar wenn man in die Berge reitet begegnet man Hunden.

Als Haustiere sind sie hier sehr beliebt, in nahezu jedem Garten ist einer anzutreffen. Doch jene Hunde, welche mich am Meisten faszinieren, sind die streunenden. Sie leben auf der Strasse und kämpfen sich durch den Alltag – Überleben ist ihr einziges Ziel.

Für mich eine neue Erfahrung.

Streuner (3)

Vor einer Abreise musste ich eine Menge Impfungen über mich ergehen lassen und die Ärztin im Tropeninstitut hat mir nahegelegt, mich auch gegen Tollwut zu impfen. Ich dachte mir, „Warum Tollwut? Ich bin ja in keiner wilden, verlassenen Gegend unterwegs.“ Doch die Dame blieb hartnäckig und erklärte mir, dass in Südamerika jede Menge freilaufende wilde Hunde unterwegs seien. So wie sie das schildert, klingt das sehr drastisch. Na gut, also lass ich mir diese drei Teilimpfungen auch noch geben.

Seit ich in Patagonien angekommen bin, verstehe ich die Sorge um Tollwut. Ich habe noch nie so viele streunende Hunde auf einen Blick gesehen. Natürlich bin ich neugierig und frage Alejandro, warum es denn hier soviele Hunde ohne Besitzer gäbe. Er erzählt mir, dass sich viele Menschen einen Hund kaufen und ihn dann aus verschiedensten Gründen nicht mehr haben wollen, sei es aus Geldnöten, Platzmangel, zuviel Arbeit oder vieles mehr, und sie einfach auf der Strasse aussetzen.

Eine Art Tierschutzhaus gibt es hier nicht, die Hunde müssen für sich selbst kämpfen. Man sieht sie immer wieder in den Mülleimern stöbern und Regenwasser trinken. Die Gartentüren sollte man stets gut schlossen halten, wenn man nicht einen neuen struppigen Mitbewohner haben möchte.

Streuner (2)

In den ersten Tagen in Ushuaia (Argentinien) hatte ich ziemlichen Respekt vor diesen Tieren. Konnte ich doch nicht einschätzen, wie sie reagieren und ob sie bissig sind oder aggresiv. Mit der Zeit verflog meine Angst und mittlerweile wechsle ich nicht mehr die Strassenseite, wenn mir ein Hund begegnet. Die Streuner sind sehr friedlich und suchen oft die Nähe von Menschen, mal in der Hoffnung auf Futter, mal einfach nur der Gesellschaft wegen. Eines Abends in Punta Arenas warteten  Alejandro und ich auf ein Collectivo. Nach dem guten Sushi-Essen im Stadtzentrum wollten wir einfach nicht weit laufen und stellten uns an die nächste Kreuzung. Hier lag auch grad ein wunderschöner hellbrauner Hund an der Hausmauer und döste vor sich hin. Nach zehn Minuten vergeblichen Wartens in der Kälte beschliessen wir nun doch zu Fuss zu gehen. Keine 200 Meter weiter bemerken wir, dass uns der Hund folgt – und ein zweiter, schwarzer, hat sich auch dazu gesellt. Witzig, denn wir dachten, sie laufen vielleicht bis an das Ende vom Zentrum mit uns, doch sie begleiteten uns bis nach Hause! Immer ein Stück hinter uns oder vor uns waren sie stets in der Nähe – wie ein Begleitschutz. Es fiel mir schliesslich verdammt schwer, die Haustüre vor ihner Schnauze zuzuschlagen. Seitdem hab ich immer wieder nach ihnen Ausschau gehalten doch sie nie wieder gesehen. Mysteriös…

Dieser Hund hat das Stückchen Holz immer wieder auf die Bank gelegt und angestarrt. Haben wir es hinunter gewischt, hat er es wieder hinaufgelegt. Bis wir endlich bemerkten, dass er einfach nur mit uns spielen wollte 💖
Dieser Hund hat das Stückchen Holz immer wieder auf die Bank gelegt und angestarrt. Haben wir es hinunter gewischt, hat er es wieder hinaufgelegt. Bis wir endlich bemerkten, dass er einfach nur mit uns spielen wollte 💖

Alejandro erzählt mir auch eine Geschichte aus seiner Jugendzeit. Er hatte Mitleid mit einem kleinen Welpen, welcher schon halb durchgefroren im Regen saß und brachte ihn zu seiner Mutter, die sich sehr gut mit Hunden auskennt, da sie selber fünf hat. Schliesslich müssen sie den Kleinen aber zum Tierarzt bringen, investieren viel Geld und konnten ihm dennoch nicht helfen. Er musste eingeschläfert werden. Die Komik der Geschichte ist: der Hund hatte Flöhe und in den nächsten Tagen waren die Tierärztin, Alejandro, seine Mutter, seine Schwester und deren Hunde befallen. Und alle ziemlich sauer auf Alejandro 😅 Kein schöner Dank dafür, dass man helfen wollte… aber man lernt daraus für das nächste Mal.

Ich mag die Streuner hier. Sie sind liebenswürdig und zugänglich, aber keinesfalls aggressiv. Auch wenn ich am Liebsten den einen oder anderen jedes Mal mit nach Hause nehmen möchte, halte ich seit Alejandro’s Geschichte ein wenig Abstand zu den Kerlen.