Lange habe ich mit mir gerungen, ob ich denn über ein Bestattungsritual schreiben soll, doch hab ich mich schlussendlich dafür entschieden, denn es gibt einen so tief gehenden Einblick in die hinduistische Kultur, die der unseren westlichen unterschiedlicher nicht sein kann. Begleiten wir gemeinsam die Seele auf ihrem Weg, wie sie den nun verstorbenen Körper verlässt und sich bereit mach zur Reinkarnation.
Über den Hinduismus
Warum ich diese Bestattung besucht habe? Weil ich gerne mehr über mir unbekannte Kulturen lernen möchte und verstehen, wie die Menschen leben, was sie bewegt, freudig oder traurig stimmt, wo ihre Prinzipien liegen. In meiner Weltvorstellung gibt es kein richtig oder falsch, sondern nur ein anders. Anders als das, was ich kenne, womit ich aufgewachsen bin und wie ich erzogen wurde. Und ich möchte all dieses „anders“ kennen und verstehen lernen, meinen Respekt vor anderen Kulturen, Glauben und Mentalitäten zu erweitern.
Feuerbestattungen finden in Nepal öffentlich statt, das bedeutet, das jeder daran teilnehmen und dem Gestorbenen die Ehre erweisen darf. Nepalesen gehören dem hinduistischen Glauben an und um zu verstehen, was eine Bestattung für die Menschen in Nepal bedeutet, möchte ich dir zu diesem Glauben ein paar Worte näher bringen:
Im Hinduismus glauben die Menschen an Reinkarnation, an die Wiedergeburt, der Körper wird lediglich als Gefäß für die Seele gesehen. Nach dem Tod darf die Seele weiterwandern und sich ein neues Gefäß suchen. In welcher Form man wiedergeboren wird, hängt davon ab, wie viel Karma gesammelt wurde. Karma ist ein Begriff aus dem „Sanskrit“ und bedeutet so viel wie „tun, machen“ und umfasst sowohl schlechte als auch gute Taten. Durch gute Taten steigt das Karma und je höher dieses beim Tod ist, desto höher die Chance, als Mensch wiedergeboren zu werden. Ansonsten kehrt man als Tier, Pflanze oder Einzeller zurück. Sämtliches Handeln gläubiger Hindus hat zum Ziel, diesen ewigen Kreislauf des Lebens, Sterbens und der Wiedergeburt zu durchbrechen und im Moksha anzukommen und die endgültige Erlösung von allen Formen weltlicher Bindung zu erfahren.
Über die Zeremonie
Hinduistische Bestattungszeremonien haben also einen sehr bedeutenden spirituellen Hintergrund und man sollte diesen Ritualen als Gast mit dementsprechenden Respekt beiwohnen.
In Kathmandu finden Feuerbestattungen bei der Tempelanlage Pashupatinath, am Ufer des Flusses Bagmati statt, welcher in den heiligen Ganges mündet. Nähert man sich von seitens des Tempels, wird man überrascht sein, dass Eintritt verlangt wird, doch dieser bezieht sich auf die Tempelanlage selbst, nicht auf die Zeremonie. Am Besten man sucht weiter flussauf- oder abwärts einen Zugang zum Ufer oder nähert sich von der anderen Uferseite dem Zeremonienplatz.
Abhängig von der Kastenzugehörigkeit der verstorbenen Person findet die Bestattung näher oder weiter entfernter des Tempels Pashupatinath statt. Zu beiden Seiten des Ufers finden sich auf den Steinstufen unzählige Menschen ein, die der Zeremonie beiwohnen und die Seele auf ihrem Weg begleiten. Der Leichnam wird von den Angehörigen in ein buntes Tuch gewickelt und Kopf und Füße im heiligen Flusswasser gewaschen, bevor er auf dem Scheiterhaufen verbrannt und die Asche dem heiligen Fluss übergeben wird. Zeremonienmeister leiten durch das Ritual.
Nun bietet sich mir die Gelegenheit während eines Nepal-Aufenthalts mit einer Freundin, die aktuell in Kathmandu lebt, einer dieser Zeremonien beizuwohnen und ich bin tief beeindruckt von der Energie des Rituals. In meinem Blogbeitrag über Nepal beschreibe ich es mit diesen Worten:
„Wir suchen uns einen Sitzplatz auf den Steinstufen am Ufer des Flusses Bagmati und finden uns direkt hinter den drei Zeremonienmeistern wieder. Hunderte Menschen wohnen dem öffentlichen Bestattungsritual tagtäglich bei. Die Vorbereitungen beginnen und plötzlich setzt traditionelle Musik ein, gespielt von vier Musikern direkt neben uns. Die drei Zeremonienmeister waschen sich Hände und Gesicht, heben Räucherstäbchen an und beginnen das Ritual zur Musik. Ihre Bewegungen richten sich in alle vier Himmelsrichtungen, bevor der nächste Durchgang mit einer kleinen Feuerschale beginnt. Die Menschen auf den Steinstufen klatschen leise in die Hände. Die Zeremonienmeister wechseln die rituellen Gegenstände und beginnen ihre Kreise erneut zu ziehen mit immer größer werdenden Flammen. Blumen, Sindur (das gefärbte Pulver), Weihrauch und Reis spielen eine bedeutende Rolle und werden stets in das Ritual eingebunden. Mit jedem Zyklus steigt die Stimmung der Menge, Menschen beginnen zu tanzen, das Klatschen wird lauter, man spürt deutlich die Energie die hier freigesetzt wird. Der Seele des Verstorben wird geholfen sich zu lösen und wird begleitet, um in den Kreislauf der Wiedergeburt oder in Moksha eintreten zu können. Der Tod ist kein Anlass zum Trauern, die Hindus begrüßen ihn als Teil des Lebens. Am Ende werden uns orange Blütenblätter gegeben, die wir mit einem kleinen Gebet in den Fluss streuen. Nun wird der verstorbene, leere Körper öffentlich verbrannt und die Asche dem Fluss übergeben.“