Eine ganz besondere Form des Reisen ist für mich das Campen. Aufgewachsen als Kind einer Camperfamilie liebe ich es, nahe der Natur meinen Schlafplatz aufzuschlagen und mit den liebevollen Geräuschen der Umwelt ins Land der Träume abzutauchen.
Schön, dass es findige und kreative Köpfe gibt, welche sich ein neues Konzept für das Campen überlegt haben: Naturnahes Camping bei landwirtschaftlichen Betrieben in der Region. Heuer habe ich mich bei Schau aufs Land in Österreich und Agricamper Italia in Italien eingeschrieben und schon mal die ersten Plätze getestet.
Inhalt
Das Konzept
Eine sehr simple Grundidee steht hinter dem Konzept dieser Plattformen, nämlich regionale landwirtschaftliche Betriebe und Camper zusammen zu führen. Campingliebhaber finden so einen schönen naturnahen Stellplatz und die regionalen Betriebe werden zudem unterstützt und gefördert.
Sämtliche Plattformen in Europa funktionieren nach dem selben Pinzip:
- Betriebe & Stellplätze:
Regionale Betriebe melden die Verfügbarkeit eines oder mehrerer Stellplätze, beschreiben in einigen Worten den Platz und eventuelle zusätzliche Serviceleistungen. Viele bieten zudem einen Ab-Hof-Verkauf oder Führungen über das Gut an - Camper:
Camper registrieren sich auf der Plattform, kontaktieren innerhalb von wenigen Tagen vor Ankunft direkt den Betrieb und vereinbaren die Ankunftszeit - Aufenthaltsdauer:
Die Aufenthaltsdauer darf aufgrund von gesetzlichen Bestimmungen maximal für 24 Stunden sein - Kosten des Stellplatzes:
Der Aufenthalt ist kostenlos (eventuell angebotene Zusatzleistungen können jedoch kostenpflichtig sein) - Limitierte Mitgliedschaften:
Die Mitgliedschaften sind entsprechend der Anzahl der angebotenen Stellpätze limitiert, damit die Plätze nicht überlaufen sind - Campingfahrzeuge:
In den Stellplatzbeschreibungen ist ersichtlich, für welche Fahrzeuge oder Gespanne der Platz nutzbar ist. Die Campingfahrzeuge müssen autark sein (WC an Bord), wobei viele Höfe auch WC- und Duschmöglichkeiten bieten. Ist man wie ich ohne WC unterwegs, einfach vorab detailliert die Stellplatzbeschreibung lesen und man wird fündig - Danke sagen:
Für mich eine Selbstverständlichkeit: als Dankeschön für den Aufenthalt kauft man im Hofladen ein, bucht eine Führung über das Gut oder nimmt an einer angebotenen Weinverkostung teil.
Die Registrierung für Camper ist sehr einfach: über die Homepage oder die App erfolgt die Eingabe der Daten, die Mitgliedschaft dauert 365 Tage an, man bezahlt des Beitrag für die Jahresmitgliedschaft (in etwa 25-50 Euro je nach Plattform), registriert das Kennzeichen des Fahrzeuges und schon kann man in den Urlaub starten.
Über folgende Plattformen habe ich mich heuer informiert und durchwegs nur positive Empfehlungen gelesen:
Schau aufs Land (Ö), Bauernleben (Ö), Landvergnügen (D), Agricamper (I), France Passion (F), España Discovery (E)
Allerdings bieten nicht alle eine digitale App an, was ich persönlich für etwas unpraktisch halte, denn heutzutage ist das Smartphone ja eines der gängigsten Hilfsmittel beim Reisen. Achtung bei Bauernleben, Landvergnügen, France Passion und España Discovery, hier wird der Stellplatz-Guide bzw. die Mitgliedskarte per Post zugesendet! Also dementsprechend frühzeitig registrieren!
Schau aufs Land
Wir sind mit meinem Van „Grooty“ am Weg vom Osten Österreichs nach Spanien. Hinter uns nach läuft ein kleiner Kofferanhänger, der unser Hab und Gut in die neue Heimat bringt. Für mich eine große Herausforderung: das erste Mal über eine so weite Distanz hinter dem Steuer zu sitzen, zudem mit einem Hänger hinten dran und dann noch erstmalig den neuen Van-Ausbau zu testen.
Daher legen wir den ersten Stopp noch im Heimatland, kurz vor der italienischen Grenze ein. Wir suchen über Schau aufs Land einen Stellplatz, der auch für ein Hängergespann geeignet ist und nicht allzu weit abseits unserer Reiseroute liegt.
Die App lässt sich super leicht bedienen, die Kosten um 39,90 Euro für 365 Tage sind für mich vollstens akzeptabel. Über die Filtersuchfunktion gebe ich „für Anhänger geeignet“ und „mit WC-Zugang“ ein und schon zeigt mir die Karte die für uns passenden Plätze an. Zugegeben, der Filter „WC-Zugang“ schränkt die Möglichkeiten schon merkbar ein, aber mit einem kleinen Umweg finden wir dann ein passendes Platzerl für uns.
Unsere Wahl fällt auf einen eher untypischen Campingspot, doch liegt er sehr passend auf der Reiseroute: Die Wohngemeinschaft Live Together in Kärnten. Es ist eine sehr herzliche Begegnung mit den Menschen, die sich hier zusammenschließen und das alte Hotel zu einem heimeligen Wohnort umgestalten.
Wir dürfen am früheren Hotelparkplatz unser Reisegefährt parken. Der große Platz kommt uns zu Gute, denn hier können wir unser Gespann abstellen ohne den Hänger abkoppeln zu müssen. Praktisch.
Es ist erst früher Nachmittag bei unserer Ankunft und nach der liebevollen Begrüßung und der Einladung uns hier wie zuhause zu fühlen, schlendern wir über das weitläufige und saftig grün leuchtende Hotelareal und genießen die wärmenden Sonnenstrahlen. Hinter dem Haus erwartet und ein Naturteich, den wir natürlich gleich freudig ausprobieren.
Meine Gedanken schweifen beim Blick über die weite Landschaft ab und ich frage mich, wie die Reise wohl verlaufen wird. Mein erster großer Vanlife-Trip und dann gleich als Umzug gestaltet. Irgendwie habe ich mir das so nicht vorgestellt, aber ich freue mich auf all die Erlebnisse, welche mich auf diesem Weg erwarten werden!
Hier im Live Together wird abends gemeinsam gekocht und gegen einen kleinen freiwilligen Unkostenbeitrag sind wir eingeladen, am Abendessen teilzunehmen. Gerne nehmen wir das Angebot an, zum Kochen habe ich gerade eigentlich keine Lust. Aktuell leben hier auch einige ukrainische Flüchtlingsfamilien und so kommen wir in den Genuss, einfache aber äußerst köstlich schmeckende ukrainische Gerichte zu probieren. Die Zutaten dazu kommen übrigens aus der Lebensmittelrettung von den umliegenden Supermärkten.
Mich beeindruckt das Konzept des Live Together. Auch wenn ich persönlich nicht in einer Gemeinschaft leben möchte, finde ich es toll, was die Menschen hier auf die Beine stellen. Es wird sehr viel Wert auf Nachhaltigkeit gelegt, auf Vermeidung von Verschwendung, auf Gemeinschaft und gegenseitige Unterstützung. Schön, dass es in dieser Wegwerfgesellschaft immer mehr Menschen gibt, die umdenken und so den Weg ebnen für eine nachhaltige Zukunft.
Agricamper Italia
Nachdem ich seit der Hinreise nach Spanien so begeistert vom Konzept von Schau aufs Land bin, will ich mehr darüber wissen und starte eine Recherche. In welchen Ländern Europas wird ähnliches angeboten? Und ich werde auf unserer Route fündig: Sowohl in Spanien, Frankreich und Italien gibt es ähnliche Plattformen.
Für España Discovery und France Passion kam mir dieser Einfall leider zu spät, denn beide Plattformen schicken die Mitgliedskarte und den Stellplatzführer per Post zu. Unsere Abfahrt aus Valencia steht jedoch schon in wenigen Tagen bevor, somit würden die Karten zu spät ankommen. Schade.
Aber bei Agricamper Italia haben wir Glück! Hier klappt die Registrierung problemlos online und schon können wir uns mit den Zugangsdaten in der App einloggen. Kein gedrucktes Buch, sondern moderne digitale Stellplatzsuche um nur 34,90 Euro für 365 Tage. Für mich ein großer Plus-Punkt an diese Plattform!
Auch hier gibt es wie bei Schau aufs Land eine praktische Filtersuchfunktion. Wieder schränke ich die Suche mit wenigen Klicks auf „für Anhänger geeignet“ und „mit WC-Zugang“ ein. Leider fallen mit dem Filter „WC-Zugang“ wiederum sehr viele schöne Stellplätze weg. Schade, aber verständlich. Schließlich sind die Betriebe nicht auf Tourismus ausgelegt, sondern bieten lediglich einen idyllischen Übernachtsplatz auf ihrem Privatgrund an.
Auch aufgefallen ist mir, dass es in Nord-Italien kaum Agricamping-Stellplätze in Meeresnähe gibt, sondern hauptsächlich in den Bergen. Was aber bei genauerem Nachdenken logisch erscheint, denn in Meeresnähe haben sich massenhaft Tourismusbetriebe und Campingplätze angesiedelt.
Doch wer suchet, der findet. Und so landen wir schließlich auf einem wunderschönen Fleckchen Erde in Nord-Italien. Nicht weit von der Autobahn entfernt liegt ein kleiner Agri-Campingplatz, welcher sowohl als Campingplatz geführt wird, aber auch eine Nächtigung über die App anbietet: Agricamping Lo Zafferano in der Region Ligurien.
Die Kontaktaufnahme erfolgt bei Agricamper Italia über die App, welche eine Email an den Gutsbesitzer sendet. Schon kurze Zeit später erhalte ich eine Antwort-Email mit der Bestätigung, dass man uns mit Freude zu angegebener Zeit erwartet.
Wir sind verzaubert von der Schönheit des Platzes. Der Ort beheimatet großteils landwirtschaftliche Betriebe und einer davon bietet so wunderbar zentral gelegen eine Campingmöglichkeit. Mit dem Fahrrad wäre man in nur zehn Minuten im Ortskern zum Einkaufen oder um sich ein typisch italienisches Abendessen zu gönnen.
Wir sind ohne Rad unterwegs, also bleiben wir am Platz, verarbeiten unsere Essenvorräte und genießen diese herrliche Ruhe. Die Pferde auf der Koppel nebenan schnauben von Zeit zu Zeit genüsslich vor sich hin und der Haushund stattet uns ebenso einen kurzen Willkommens-Besuch ab. Zur Abendessenszeit leistet uns eine Henne Gesellschaft. Die weiß genau, dass es bei den Besuchern immer was zu holen gibt! Sie verlässt uns erst, als die Hausherrin hinter dem Platz vorbei Richtung Hühnerstall spaziert. Wir haben sie nicht bemerkt, aber die Hennen sind plötzlich aus allen Richtungen gekommen und zum Stall gelaufen. Ein schönes Bauernhof-Erlebnis!
Der Campingplatz mit 10 Stellplätzen ist liebevoll mit einem kleinen Dusch- und WC-Haus und eine Geschirrwaschmöglichkeit ausgestattet. Müll und Grauwasser kann ebenso entsorgt werden. Man spürt, die Besitzer führen den Platz mit viel Liebe und das macht den Aufenthalt noch einmal um einiges wertvoller.
Wir zahlen unseren Unkostenbeitrag für die WC- und Duschbenützung von 2 Euro pro Person und stöbern noch im Hofladen nach Leckerein zum Mitnehmen. Regionale Oliven, selbst gepresstes Olivenöl, Pasteten, Chutneys und hausgemachte Weine lassen uns das Wasser im Mund zusammen laufen. Viel Platz haben wir im Van zwar nicht, aber einer Flasche guten italienischen Wein kann man einfach nicht widerstehen.