Nur wenig weit entfernt von Ushuaia liegt der Nationalpark Tierra del Fuego (Feuerland), zu dem es hervorragende Busverbindungen gibt und sich für einen Tagesauflug perfekt anbietet. Auch Mehrtagesausflüge sind möglich, denn die Wanderrouten im Park sind weitläufig in wunderschöner Natur eingebettet. Ich entscheide mich für zwei Tage im Park und hoffe dort Erholung und Ruhe zu finden.

Dieser Beitrag ist Teil der Reisegeschichte Woman Solotraveller | Südamerika 2014

Auf der Suche nach Erholung

Zehn Tage bin ich nun schon auf meiner großen Reise unterwegs. Rastlos. Obwohl ich mir schon je einen Tag Pause in Buenos Aires und Ushuaia gegönnt hatte, bin ich stets angespannt und kann nicht beschreiben warum.

Möglicherweise liegt es daran, dass ich nie lange an einem Ort bleibe und mich kurz nach Ankunft schon wieder mit dem übernächsten Ziel beschäftigen muss. Mein Gastgeber Lucas hier in Ushuaia ist Reiseleiter und er meint es mit der Gastfreundschaft ein wenig zu gut. „You have to see this, that is very important to visit, if you want, I can bring you there, what do you want to do…“ So oder so ähnlich wird mir jeden Tag eine neue Attraktion angeboten. Was ich sehr schätze, denn Tipps von Einheimischen ersparen mir lange Recherchen im Internet oder Reiseführern. Andererseits kann ein zu viel davon auch anstrengend werden.

Was ich auch sehr unterschätzt hatte, war das Wirken der vielen neuen Eindrücke auf mich und meinen Körper. Alles ist neu. Die Art des Reisens, des Vorwärtsbewegens von einem Ort zum nächsten, die kurzfristige Planung der Reiseziele und Unternehmungen, die vielen Menschen die ich kennen lerne und mit denen ich Erfahrungen austausche. All das ist interessant und aufregend und fasziniert mich. Aber es raubt meinem Körper auch viel Energie. Zeit, ihm jetzt etwas Erholung zu gönnen und mich vom Außen zu distanzieren.

Stille, Ruhe, bei mir sein. Eine Wanderung in der Natur, begleitet  lediglich vom Rauschen des Windes in den Bäumen und den Geräuschen der Tiere im Wald bringt Entspannung ins System. Frieden.
Stille, Ruhe, bei mir sein. Eine Wanderung in der Natur, begleitet lediglich vom Rauschen des Windes in den Bäumen und den Geräuschen der Tiere im Wald bringt Entspannung ins System. Frieden.

Anreise in den Nationalpark und Bezug meiner Schlafstätte im Refugio

Heute (Sonntag) will ich mich für zwei Tage in den Nationalpark Tierra del Fuego zurück ziehen. Hier erhoffe ich mir etwas Ruhe und Entspannung. Im Zentrum kaufe ich mir ein Round-Ticket mit dem Vermerk der Übernachtung im Park, so darf ich mit selbigem Ticket am nächsten Tag wieder vom Park retour in die Stadt fahren. Mein erster Weg bringt mich direkt zum Refugio, wo ich übernachten möchte. Im Nationalpark Tierra del Fuego, welcher ein etwas kleinerer ist, gibt es nur dieses eine Refugio, so fällt mir die Auswahl leicht. Es werden hier Zeltplätze angeboten, welche von den meisten Wanderern bevorzugt in Anspruch genommen werden, als auch Betten in einem Gemeinschaftsschlafsaal, welchen ich nutzen werde. Meine erste Erfahrung einer Übernachtung in einem Nationalpark steht bevor. Beim Eintreten in den Schlafraum bin ich doch etwas überrascht, denn im Inneren herrscht die selbe niedrige Temperatur wie Draußen. Zwischen den Stockbetten steht zwar ein kleiner Holzofen, aber der ist kalt. Offensichtlich bin ich momentan der einzige Gast hier, also suche ich mir mein Bett frei aus.

Die schön stilisierte Übersichtskarte des Nationalparks hängt gleich am Eingang des Refugios.
Die schön stilisierte Übersichtskarte des Nationalparks hängt gleich am Eingang des Refugios.
Das Refugio "Lago Roca" ist das einzige im Nationalpark Tierra del Fuego und bietet neben Zeltplätzen auch Betten in einem Schlafsaal. Ein Restaurant bietet eine kleine Auswahl an Speisen.
Das Refugio "Lago Roca" ist das einzige im Nationalpark Tierra del Fuego und bietet neben Zeltplätzen auch Betten in einem Schlafsaal. Ein Restaurant bietet eine kleine Auswahl an Speisen.
Einfach, aber zweckdienlich: der Gemeinschaftsschlafraum im Refugio.
Einfach, aber zweckdienlich: der Gemeinschaftsschlafraum im Refugio.

Eine Wanderung am Ufer des Lago Roca bringt innere Ruhe

Nach einem kurzen Mittagssnack entscheide ich mich für den entlegensten Wanderweg in der Hoffnung hier nicht so viele Leute anzutreffen. Am Sonntag ist der Park nämlich scheinbar Ausflugsziel Nummer 1 hier.

Am Ufer des Lago Roca schlängelt sich der Weg mal durch wunderschöne, naturbelassene Wälder, mal direkt am leise plätschernden Wasser entlang. Der Wind weht sanft über die Oberfläche des Sees hinweg und treibt das dunkle Wasser in kleinen Wellen ans Ufer, dessen Rauschen mich wie ein beruhigender Gefährte begleitet. Immer wieder berührt der Pfad das kiesige Ufer, um dann wieder in den einsamen Wald abzutauchen. Die Entscheidung für diesen Weg war goldrichtig, ich treffe hier nur vereinzelt auf andere Wanderer. Endlich, hier kann ich abschalten, mich auf mein Innerstes konzentrieren und zur Ruhe kommen. Immer wieder halte ich zwischen den Bäumen oder am Wasser inne, um der Natur zu lauschen, ihren Spirit zu fühlen und mit jedem Atemzug ihre Energie aufzunehmen. Hier in der Natur spürt man die Lebensgeister am Stärksten; kein Stress, kein Lärm, keine Technik, nur das Ursprüngliche, beschränkt auf das Wesentlichste. Ich genieße jeden Atemzug und komme in meiner Seele endlich zur Ruhe. Danach habe ich mich gesehnt. Es ist wunderbar.

Der leise wehende Wind lässt das Wasser des Sees in kleinen Wellen sanft ans Ufer plätschern. Ein Schauspiel, das mir innere Ruhe schenkt.
Der leise wehende Wind lässt das Wasser des Sees in kleinen Wellen sanft ans Ufer plätschern. Ein Schauspiel, das mir innere Ruhe schenkt.
Der Pfad führt mal am Ufer entlang, mal durch den beinahe  unberührten Wald. Stille, nur durchbrochen vom Rufen der Waldbewohner.
Der Pfad führt mal am Ufer entlang, mal durch den beinahe unberührten Wald. Stille, nur durchbrochen vom Rufen der Waldbewohner.
Der Wanderweg führt bis an die chilenische Grenze, welche mit einem kleinen Turm am Ufer markiert ist.
Der Wanderweg führt bis an die chilenische Grenze, welche mit einem kleinen Turm am Ufer markiert ist.
Mitten am Wanderweg steht plötzlich ein Hinweisschild: Internationale Grenze zwischen Argentinien und Chile. Nicht übertreten.
Mitten am Wanderweg steht plötzlich ein Hinweisschild: Internationale Grenze zwischen Argentinien und Chile. Nicht übertreten.

Nach dieser wunderbaren, mich innerlich tief berührenden Wanderung fühle ich mich glücklich. Die innere Ruhe lässt mich endlich seit Beginn der Reise entspannen. Zufrieden sitze ich nun auf einem der Holzbalken vor dem Schlafsaal und beobachte all die Tagesgäste, die nun nacheinander von ihrer Tour zurück kommen, in ihr Auto steigen und heim fahren. Wie es ihnen wohl geht? Genüsslich schlürfe ich meinen Mate aus meinem neuen Matebecher, den ich mir in Buenos Aires noch kurz vor der Weiterreise gekauft hatte. So fühlt sich Leben an!

Kälte Nächte, unbegrenzt heißes Teewasser und Natur pur

Die Nacht im Schlafsaal war unangenehm kalt. Man hat uns, ich durfte dann noch meine Zimmerkollegin Jana aus der Schweiz kennen lernen, den kleinen Holzofen zwar angeheizt, aber trotz der Verwendung des gesamten Holzes, erwärmte sich die Luft einfach nicht. Dick eingewickelt in meinen Schlafsack, mit langer Thermoleggings, dickem Pullover, Daunenjacke und Haube überstand ich die Nacht recht schlaflos und schäle mich nun um 7 Uhr morgens aus dem Bett. Meine seit Tagen vorherrschende Verkühlung wird damit wohl auch nicht besser werden. An die Umstände von kalten Nächten und kaum geheizten Unterkünften muss ich mich erst gewöhnen.

Das Wunderbare ist, dass ich im Restaurant unbegrenzt heißes Wasser für meinen Tee bekomme. Das dürfte in Argentinien üblich sein und wärmt meinen durchgefrorenen Körper wieder ein wenig auf. Nach einem einfachen Frühstück entscheide ich mich aufgrund meiner körperlichen Schlappheit für eine einfache, in der Ebene verlaufende Wanderung zu einem anderen See. Auch hier fühle ich mich wohl, umgeben von den Spirits der Natur. Trotz meiner Müdigkeit genieße ich die Zeit im Park hier sehr, die Naturgeister füllen meine leeren Batterien wieder auf.

Rund um den Tümpel erfreut eine farbenprächtige Flora das Auge und die Sinne. Es duftet wohlig.
Rund um den Tümpel erfreut eine farbenprächtige Flora das Auge und die Sinne. Es duftet wohlig.
Den kleinen See umgibt eine Natur, die in prächtigen Farben schillert, während sich im Hintergrund sanft die schneebedeckten Berge erheben.
Den kleinen See umgibt eine Natur, die in prächtigen Farben schillert, während sich im Hintergrund sanft die schneebedeckten Berge erheben.

TIPP:
In den Nationalpark Tierra del Fuego kann man wunderbar Tagesausflüge machen, da er nicht allzu groß ist im Vergleich zu anderen Parks in Südamerika und es werden täglich mehrere Busverbindungen angeboten. Dennoch lohnt es sich, auch ein oder zwei Nächte im Park zu verbringen, denn die Fauna und Flora ist in den verschiedenen Bereichen des Parks durchaus unterschiedlich und sehenswert, ebenso abwechslungsreich sind die Pfade entweder am Wasser entlang oder auf den Berg hinauf.

Die Nächte in Ushuaia sind auch im Hochsommer sehr frisch und viele Refugios und Hostels werden kaum geheizt. Daher empfehle ich zum Übernachten im Nationalpark einen guten, wärmenden Schlafsack mit Komfortbereich um die 0-5°C. Ebenso ratsam ist es, immer eine Thermoskanne dabei zu haben, denn heißes Trinkwasser ist fast überall gratis erhältlich.