Ein Ausflug auf den Gletscher Martial lohnt sich bei schönem Wetter jedenfalls, denn der Ausblick auf die Stadt Ushuaia und den dahinter liegenden Beagle Kanal bis zur chilenischen Küste ist atemberaubend! Auch wenn früh morgens der Himmel verregnet ist, sollte man sich nicht aufhalten lassen, denn das Wetter hier kann schnell zum Guten umschlagen.
Dieser Beitrag ist Teil der Reisegeschichte Woman Solotraveller | Südamerika 2014
Inhalt
Typisch für Ushuaia: Wechselhaftes Wetter
Es ist am Morgen des nächsten Tages und ich blinzle mir den Schlaf aus den Augen. Am Fenster ist ein leises tropf tropf tropf zu hören und es dauert eine Weile bis ich begreife, dass das Geräusch von Regentropfen verursacht wird.
Regen?! Was soll das? Der Wetterbericht hat für heute doch Sonnenschein angesagt. Lena und ich wollen doch heute auf den Gletscher wandern. Aber so ist das hier in Ushuaia, das Wetter ist sehr unstet und es wechseln sich Regen, Wolken und Sonne ständig ab. Etwas unmotiviert schäle ich mich aus meinem Schlafsack und richte mir erstmal gemütlich mein Frühstück. Und siehe da, während ich noch am Tisch sitze, lässt der Regen schon langsam nach. Ich packe also meinen Tagesrucksack, zur Sicherheit nehme ich die Regenjacke jedenfalls mit, und mache mich auf den Weg, um mich mit Lena im Zentrum zu treffen. Der Regen hat inzwischen gänzlich aufgehört und die Wolken scheinen schon ein bisschen weniger grau als noch vor einigen Minuten. Mit dem Lichten der Wolkendecke steigt auch meine Motivation wieder stark an, denn ich freue mich schon seit Langem auf eine Wanderung in der schönen Natur. Seit meinem Kletterunfall vor sechs Wochen, bei dem ich eine enorme Platzwunde durch einen herabfallenden Stein am Knie und einen Naht mit fünf Stichen verpasst bekam, kann ich mein Knie nur eingeschränkt bewegen.
Aufstieg zum Aussichtspunkt
Auf Lena treffe ich am verabredeten Platz und wir nehmen ein Taxi die Straße hoch zur Talstation des Sesselliftes am Glaciar Martial. Trotz meiner immer noch vorhandenen geringen Bewegungseinschränkung möchte ich zu Fuß auf den Berg gehen. Der kurze Sessellift bietet Wanderern die Möglichkeit, das erste Stück des Anstieges hinauf zu fahren und von dort aus den Weg zum Aussichtspunkt oder noch weiter in die Gletscherregion zu starten. Mein geliebter Lonely Planet-Reiseführer gibt an, dass die Fahrt mit dem Sessellift eine Stunde zur Bergstation dauert und man nach weiteren 60 Minuten Fußmarsch beim Aussichtspunkt anlangt.
Beim Aufstieg über den Hang neben der Sessellift-Trasse fällt uns schon auf, wie langsam sich die Sesseln des Liftes vorwärts bewegen. Wir wundern uns über die Angaben im Reiseführer, denn nach nur 20 Minuten sind wir gemütlichen Schrittes an der Bergstation angekommen und nach weiteren 35 Minuten am Aussichtspunkt.
Oben an der Aussichtsplattform angekommen, verstehen wir nun allerdings, für welche Personen die Zeitangaben im Reiseführer gemacht wurden, denn wir treffen hier auf Städte-Touristen in Laufschuhen, Stiefeln, Jogginghosen und ähnlichem. Alles klar, wir folgen hier also einem Touristen-Trampelpfad. Eigentlich hätte uns das schon dämmern müssen, als uns der Herr an der Information auf unsere Anfrage hin antwortete: Es gibt für dieses Gebiet keine Wanderkarte, weil es ohnehin nur einen Weg hinauf gibt.
Egal ob man mit dem Sessellift oder fußläufig hier ankommt, die Aussicht ist wirklich toll und einen Besuch wert! Der Ausblick bietet uns ein Panorama über ganz Ushuaia und den Beagle-Kanal bis an die chilenische Küste am Horizont. Traumhaft! Und mittlerweile lässt sich sogar die Sonne blicken und wärmt uns angenehm den Rücken.
Wir entscheiden uns, dem Wanderweg noch über den Aussichtspunkt hinaus, weiter zu folgen und werden mit einer wunderbaren Naturlandschaft und einzigartigen Panoramaansicht über den Beagle Kanal belohnt. Mein verletztes Knie meldet sich allerdings schon mit einigem Ziehen und daher lasse die Überquerung der vor uns liegenden Schnee- und Eisfelder aus. Lena macht sich auf den Weg, noch einige Meter den inzwischen schneeweißen Berg hinauf zu besteigen, während ich hier in der Sonne auf dem wunderbaren Aussichtsplatz auf sie warte. Ein schöner Moment um die Gedanken schweifen zu lassen und einfach nur zu genießen.
Abstieg bis nach Ushuaia
Der Abstieg bis zur Talstation des Liftes ist ein Kinderspiel. Für die gut ausgebaute Strecke benötigen wir gerade mal 30 Minuten und so beschließen wir motiviert dazu, noch mehr Zeit in der schönen Natur zu verbringen, den Weg bis in die Stadt hinunter auch zu Fuß zurück zu legen. Der Taxifahrer, welcher uns am Morgen hinauf brachte, erzählte uns, dass es einen Wanderweg bis in die Stadt gibt.
Wir marschieren also begeistert los und nehmen die erste größere Abzweigung von der Straße weg in den Wald hinein, landen allerdings nach 15 Minuten im Nirgendwo. Also gut, wir drehen um und laufen wieder zurück zur Straße und am Bankett entlang weiter. Hinweisschilder auf Wanderwege gibt es hier offensichtlich nicht.
Ah, hier ist der Weg, wir haben ihn gefunden. Ein wunderschöner Wanderweg durch den Wald nach Ushuaia. Wir genießen es abseits der Straße und weit weg von den Touristen, die den Aussichtspunkt am Gletscher belagern. Hier in der Ruhe der Natur verspüre ich auch erstmals Erholung. Schade, dass ich zu diesem Zeitpunkt nicht alleine unterwegs bin. Ich hätte mir gerne Zeit genommen, um die Natur hier noch intensiver zu genießen und ihre Energie zu tanken. In diesem Moment folge ich einem Impuls und beschließe, in den Nationalpark in den kommenden Tagen alleine zu gehen. Nur so kann ich die Natur in vollen Zügen genießen.
TIPP:
Der Ausblick vom Gletscher Martial über Ushuaia und den Beagle Kanal ist traumhaft und der Zugang sehr einfach und gut ausgebaut. Was aber natürlich auch zur Folge hat, dass es sich zu einem touristischen Anziehungspunkt entwickelt hat. Wen das nicht stört, dem sei ein Besuch auf den Gletscher ans Herz gelegt!
Mit dem Taxi gelangt man in kurzer Zeit zur Talstation des Sessellifts und mit diesem und nach einem kurzen Spaziergang rasch zur Aussichtsplattform. Wer gerne Wanderungen unternimmt, dem empfehle ich über den Aussichtspunkt hinaus noch weiter zu gehen. Es ist ein herrliches Wandergebiet!
Unterschiede in der Mentalität
Mit Lena unterhielt ich mich viel über die Unterschiede zwischen Europa und hier, die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zwänge, die Mentalität der Leute und dem Grund unserer Reise. Ich glaube, hier denken alle Backpacker ähnlich, denn wir suchen eine Auszeit, wollen weg von dem Erwartungsdruck und möchten unseren eigenen Weg finden.
Lena ist Wanderführerin für Touristen und ihr ist wichtig, Spaß an der Arbeit zu haben anstatt viel Geld zu verdienen. Sie ist ständig unterwegs und hat keine feste Wohnung in Deutschland, wenn sie mal ein paar Wochen zuhause ist, lebt sie bei ihren Eltern. Für sie ist das ok, sie lebt gerne so. Dafür hat sie allerdings in Kauf nehmen müssen, dass sie im Streit mit ihrem Bruder lebt, weil er ihr Leben nicht akzeptiert. Seiner Meinung nach müsse sie doch Familie haben und ein geregeltes Leben und ein gutes Einkommen, für ihre Zukunft vorsorgen.
Doch mal ehrlich, denn diese Frage stelle ich mir auch schon seit Langem: Warum sollen wir JETZT in jungen Jahren schuften bis ins hohe Alter, um uns DANN etwas leisten zu können? Was ist, wenn wir DANN nicht mehr leben? Wann ist dieses DANN? In der Pension, früher, später? Wir arbeiten unser Leben lang für etwas, wobei wir nicht wissen, ob wir es erleben und schließlich auch genießen können. Ist das nicht dubios? Anstatt dass wir umdenken und das Leben JETZT genießen?! Hier und jetzt, jeden Augenblick. Nicht ständig jammern, wie schlecht das denn nicht alles ist, wie arm wir denn nicht sind und warum uns denn keiner helfe. Ja ja, jammern können wir vor allem in Österreich gut. Hier in Argentinien jammert niemand, jeder macht das Beste aus seiner Situation. Wenn dir etwas nicht passt – ändere es! Und akzeptiere, dass andere Menschen vielleicht anders denken.
Ich werde viel von der Mentalität hier in Südamerika mitnehmen, das kann ich schon jetzt spüren. Gestern hatte ich ein langes Gespräch mit Lucas, meinem Gastgeber. Er meint, wir Deutschen und Österreicher sind so kalt und distanziert. Ich verstehe nun, was er meint. Hier ist üblich dass man sich, auch wenn man sich erst flüchtig kennt, mit einem Küsschen auf die Wange begrüßt, man hat mehr Körperkontakt, ist nicht so scheu. Die Menschen hier sind sehr sehr offen und hilfsbereit, bieten einem Unterstützung an, auch wenn man nicht danach gefragt hat. Männer schenken den Frauen galante Aufmerksamkeit und verhalten sich wie Kavaliere. Daran habe ich mich erst gewöhnen müssen, wir sind wirklich etwas prüde in Europa. Ich liebe diese Mentalität hier!
„Träume nicht dein Leben – Lebe deinen Traum“
JETZT und HIER !!!